Hubertusmühle (B)
Ältere Geschichte
Bereits im Jahre 1366 wurde zum ersten Mal eine Mühle im Brettachtal erwähnt („Mühle zur Grueb“). In den darauffolgenden Jahren entstanden immer mehr Mühlen, die der Schlossherr von Amlishagen als Lehen(1) an
die Müller weitergab. 1463 gab es bereits zwei Getreidemühlen, 1683 wurde noch eine Walkmühle(2) und 1687 eine Lohmühle(3) errichtet. So entstand hier unten im Brettachtal bereits in frühen Zeiten ein „vorindu-strielles Gewerbegebiet“. Doch das Wachstum ging weiter. 1803 wurde noch eine Sägemühle gebaut, 1833 eine Gipsmühle(4).
Da alle Mühlen den ca. 500m langen Mühlkanal gemeinsam nutzten, wurde in besonderen Verträgen (sog. „Bestandsbriefe über Wassergerechtigkeit“) geregelt, wie das Wasser gerecht unter allen Mühlen verteilt werden kann. So gab es keinen Streit über die Wassernutzung.
Jüngere Geschichte
1876 wurde die noch heute genutzte eiserne Brücke über die Brettach erbaut. Erst als die Familie Bürger (Besitzer von Burg und Schloss Amlis-hagen) im Jahr 1957 den Mühlenkomplex kaufte, erhielt sie den Namen „Hubertusmühle“. Sie wechselte seitdem mehrfach den Besitzer und entwickelte sich unter dem VdK(5) (ab 1961) zu einem sehr beliebten Erholungsheim („Karl-Markus-Haus“) mit Ausflugslokal. In den Jahren 1965/1966 wurde auf das Wassernutzungsrecht(6) verzichtet, das Wasserrad wurde beseitigt und ein Großteil des Mühlkanals zugeschüttet. Der übriggebliebene Rest dient auch heute noch u.a. als Feuerlöschteich.
Ab 1981 übernahm das CJD (Christliches Jugenddorf-werk Deutschland) die Hubertusmühle ebenfalls als Erholungsheim. Ab 1992 wurde die Hubertusmühle von der „Sozialtherapeutischen Gemeinschaften Weckelweiler e.V.“ zu einem „Wohnheim für seelenpflegebedürftige Jugendliche und Erwachsene“ umgebaut und erweitert.
Aktuell
2019 kaufte eine Genossenschaft die Hubertusmühle, um hier ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt aufzubauen >> siehe Info „Was ist das Mehr-generationen-Wohnprojekt Hubertusmühle eG“
(1) Was ist ein Lehen?
Das „Lehen“ ist ein Begriff, der sich heute völlig fremd anhört. Im Mittelalter gehörten die Äcker und auch die Flüsse meistens dem Adel. Deshalb mussten alle, die Land oder Wasser nutzen wollten, sich dieses vom Adligen leihen (Lehen), um es bearbeiten zu dürfen. Dafür mussten sie sich gegenüber dem Adligen zu "Treue und Gehorsam" verpflichten und sogar einen Teil ihres Verdienstes abgeben.
Beispiel:
Im 16. Jahrhundert musste die Müllerfamilie Bernhardt dem Schlossherren von Amlishagen jährlich ein Fastnachtshuhn, zu Ostern 100 Eier, elf Herbsthühner sowie 5 Gulden abgeben. Dann nach 100 Jahren war die Familie so hoch verschuldet, dass der damilge Schlossherr von Amlisahgen den Bernhardts die Mühle für 2000 Gulden abkaufte.
(2) Was ist eine Walkmühle?
Eine Walkmühle diente bei der Herstellung von Tuch der Verarbeitung und Veredelung der Stoffe. Dies ersetzte das Walken mit den Füßen, mit dem davor frisch gewebte Tücher gereinigt und verfilzt wurden, damit sie dichter, geschmeidiger und haltbarer wurden.
Walkmühlen wurden auch von Gerbern für die Bearbeitung von Leder genutzt (-> siehe Lohmühle). Allerdings führten sie zu sozialen Problemen, da eine Walkmühle bis zu 40 Fußwalker als Arbeitskräfte ersetzen konnte.
Ein weiteres Problem entstand durch erhebliche Geruchsbelästigungen, von der Verunreinigung des Wassers im Fluss gar nicht zu reden.
(3) Was ist eine Lohmühle?
Lohmühlen dienten der Zerkleinerung von säurehaltigen Baumrinden (vor allem Eichen-, Fichten- und Tannenrinde) zur Lohe. Diese ist sehr gerbsäurehaltig und eignet sich deshalb zum Gerben von Leder. Grundsätzlich sind Lohmühlen deshalb immer ein Indikator für Gerbereigewerbe, das in der Nähe von Lohmühlen angesiedelt war. Nicht selten waren die Gerber auch die Betreiber von Lohmühlen.
(4) Was ist eine Gipsmühle?
Ein erst spät aufkommender Mühlentyp ist die Gipsmühle. Ihre Hochblüte erlebte sie im 19.Jahrhundert, auch wenn es sie vereinzelt auch schon früher gab.
Gipsmühlen dienten hauptsächlich 2 Zwecken: zum einen stellten sie Baugips her, zum anderen Dünge- oder Saatgips. Auf letzteres ist offensichtlich der Gipsmühlen-Boom des 19.Jahrhunderts zurückzuführen. Die Zerkleinerung des Gipses zu Düngegips erfolgte in Stampfen und unter Wasserzufuhr und Erhitzung in sog. Gipsgochen. Mit dem Aufkommen neuer und wirkungsvollerer Düngemittel zu Beginn des 20.Jahrhunderts verschwanden die meisten Gipsmühlen schnell wieder.
(5) "Wo fährt die U-Bahn von Amlishagen?"
Der Berliner VdK-Landesverband unterhielt einst ein Erholungsheim im Brettachtal - was dem legendären HT-Schreiber Manfred Wankmüller ("mw") die Möglichkeit gab, vergnügliche Stunden mit Großstädtern auf Hohenlohe-Tour zu verbringen und einen ebenso vergnüglichen Text darüber zu schreiben.
Als die Berliner nach einer Tagesreise endlich im Karl-Markus Haus unterhalb der Burg Amlishagen angekommen waren, fragten sie laut "mw" zunächst mal: "Wann fährt denn hier die erste U-Bahn?" Das war wahrscheinlich nicht ganz ernst gemeint, denn man suchte ja gerade die Abgeschiedenheit: "Ihnen gefällt, dass hier nicht alle Spazierwege asphaltiert sind, dass man noch über Stock und Stein klettern und sein Programm selbst machen kann", so Wankmüller. Den holzgetäfelten Aufenthaltsraum der Hubertusmühle fanden die Berliner derweil - klar- "urjemütlich und in Stetten amüsierten sie sich über den Wappenspruch des dortigen, ähm, Geschlechts. "Allzeit scharf!" Gerne säßen sie auch mit Einheimischen zusammen, schrieb "mw", und die Hohenloher Schlitzohren fänden so manches Opfer für ihr Jäger- und sonstiges Latein".
"Hohenloher Tagblatt" vom 09.Mai 2023: Kolumne: vor 50 Jahren
(6) Was ist ein Wassernutzungsrecht?
Die Erlaubnis, Gewässer durch Wasserkraftnutzung oder für die eigene Wasserversorgung (z.B. Entnahme von Trink oder Nutzwasser) zu nutzen.
Quellen: Dr.des. Sven-Uwe Bürger / Karl Weihbrecht / Mühlenatlas Baden-Württemberg, Band 5, Teil 1 + 2
Hubertusmühle 1935
Hubertusmühle Gebäude
Hubertusmühle, Um- oder Anbau
Hubertusmühle Biergarten